Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen und
Berufskrankheiten. Sie erfasst Arbeitnehmer, teilweise sind aber auch Unternehmer versichert oder können sich freiwillig versichern
lassen. Voraussetzung des Versicherungsschutzes bei einem Unfall ist dabei, dass dieser bei der versicherten betrieblichen Tätigkeit
erfolgt und damit ein Arbeitsunfall ist. Was zur betrieblichen Tätigkeit und was zum privaten Bereich gehört, ist oft strittig
und Kernfrage sozialgerichtlicher Verfahren.
Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls war auch in einem aktuell durch den 8. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg
entschiedenen Fall eines selbständigen und gesetzlich unfallversicherten Motorrad-Fahrtrainers – dem Kläger – zu
klären. Der Kläger erlitt eine Luxation der linken Schulter, als er im April 2019 bei einer allein unternommenen Fahrt mit ca. 50
km/h in einer Kurve stürzte. Der Unfallort lag etwa 50 km von seinem Wohn- und Unternehmenssitz im Landkreis Tübingen entfernt.
Seiner gesetzlichen Unfallversicherung – der Beklagten – teilte er mit, er habe am nächsten Tag einen Schüler mit
speziellen Problemen bei Serpentinen gehabt und sei deswegen auf der Suche nach der passenden Strecke für die Schulung gewesen. Er
könne sein Fahrtraining nur ordentlich durchführen, wenn er perfekte Orts- und Straßenkenntnisse habe. Umso wichtiger sei
dies am Anfang der Saison, da sich über den Winter Straßen oft gravierend verändern würden.
Die Beklagte erkannte das Ereignis nicht als Arbeitsunfall an, da es sich um eine unversicherte Vorbereitungshandlung gehandelt habe.
Vorbereitende Tätigkeiten wie z.B. eine „Erkundigungsfahrt“ zur Arbeit seien grundsätzlich dem persönlichen
Lebensbereich zuzuordnen. Ausnahmsweise seien Vorbereitungshandlungen u.a. versichert, wenn der jeweilige Versicherungstatbestand nach
seinem Schutzzweck auch Vor- und Nachbereitungshandlungen erfasse, die für die versicherte Hauptverrichtung im Einzelfall notwendig
sind und in einem sehr engen sachlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Hier fehle es an einem engen
Zusammenhang zwischen der behaupteten Vorbereitungshandlung und der erst am Folgetag vorgesehenen versicherten Tätigkeit.
Nachdem das Sozialgericht Reutlingen die Klage in erster Instanz abwies, hatte der Kläger mit seiner Berufung Erfolg. Das LSG
Baden-Württemberg stellte fest, dass der fragliche Unfall ein Arbeitsunfall gewesen ist. Der zuständige Senat kam zu dem
Ergebnis, dass die Unfallfahrt zu der versicherten Tätigkeit des Klägers gehört habe. Dieser sei zu seiner unfallbringenden
Motorradfahrt allein aus dem Grund aufgebrochen, um für seine am nächsten Tag geplante Trainingsfahrt eine geeignete und sichere
Strecke zu testen, was objektiv dem Ziel seines bei der Beklagten versicherten Unternehmens gedient und hierzu auch nicht in einem
wirtschaftlichen Missverhältnis gestanden habe. Zwar könne es unwirtschaftlich erscheinen, für ein Fahrsicherheitstraining
von ca. einem halben Tag Dauer eine so weit vom Wohnsitz des Klägers entfernte Strecke zu wählen, und diese dann auch noch am
Vorabend auf eigene Kosten abzufahren. Insoweit sei aber wiederum der Hinweis des Klägers nachvollziehbar, dass bereits auf der
Hinfahrt zu der Strecke der Fahrschüler professionell beobachtet werde. Zudem sei eine solche Erkundungsfahrt auch nach den
Einlassungen des Klägers nicht die Regel und sei hier vorrangig dem Beginn der Motorradsaison und den hiermit verbundenen
Unwägbarkeiten bezüglich geeigneter Straßenbeläge geschuldet gewesen.
Sofern – wie hier – festzustellen sei, dass eine Tätigkeit selbst als versicherte
Tätigkeit anzusehen ist, könne diese nicht mehr als unversicherte Vorbereitungshandlung qualifiziert werden. Es habe zur
seriösen Geschäftsausübung des Klägers gehört, dass er Fahrsicherheitstrainings nicht auf Strecken anbot, die nach
der Winterpause ein unbekanntes Gefahrenpotential aufwiesen. Das Abfahren der Strecke sei daher objektiv sinnvoll und Teil der den
Fahrschülern geschuldeten Hauptleistung als vertragliche Nebenpflicht, durch geeignete Maßnahmen eine Gefährdung der
Fahrschüler so weit wie möglich und vertretbar zu reduzieren.
Hinweis zur Rechtslage:
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)
§ 8 Arbeitsunfall (1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte. […]
§ 3 Versicherung kraft Satzung (1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf 1.Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner, […] |